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...... die Natur in ihrer Purheit geniesen ......

Unterlassung der Jagd

Unterlassung Jagdausübung
Urteill des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Nachfolgend ist eine Beurteilung vom Rechtsausschuss des Bayerischen Landesjagdverbandes abgebildet, welches die Einschätzung zur aktuellen Situation bezüglich der Jagdunterlassung nach einem Urteil des des Europäischen Gerichtshofs aufzeigt.

Wenn im folgenden Text die Begriffe „Austritt“ oder „Ausscheiden“ aus der Jagdgenossenschaft verwendet werden, ist damit der Antrag eines Grundstückseigentümers auf Befriedung seiner Grundstücksflächen (Ruhe der Jagd) und damit die Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 Satz 2 Bundesjagdgesetz gemeint.]


Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat am 26.6.2012 entschieden, dass ein Grundstückseigentümer, der es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, dass  auf seinen Grundstücksflächen die Jagd ausgeübt wird, diese nicht dulden muss. Der EGMR führt aus, dass die Jagdausübung insoweit eine unzumutbare Beeinträchtigung der Eigentumsrechte des betroffenen Grundstückeigentümers darstelle.

Zwischenzeitlich sind in Bayern auch die ersten Fälle bekannt,  wonach einzelne Grundeigentümer gegenüber den betroffenen Revierinhabern ein Jagdverbot unter Strafandrohung aussprechen und jedwede weitere Betretung der Grundstücksflächen zum Zwecke der Jagdausübung untersagen.


Es stellt sich somit die Frage, wie hier die betroffenen Revierinhaber reagieren sollen und welche Maßnahmen hier u.U. ergriffen werden können.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass ein Grundstückseigentümer, der aus einer Jagdgenossenschaft ausscheiden will, weil er aus Gewissensgründen die Jagdausübung auf seinem Grundstück nicht dulden will, dieses Begehren direkt an die Jagdgenossenschaft bzw. den Jagdvorstand richten muss.


Es reicht nicht aus, lediglich ein Bejagungs- bzw. Betretungsverbot gegenüber dem Revierinhaber auszusprechen, da insoweit das Jagdausübungsrecht, das bei der Jagdgenossenschaft liegt, nicht von einem einzelnen Grundstückseigentümer beschränkt werden kann.


Der Jagdpächter wäre somit der falsche Ansprechpartner, da dieser sein Recht auf  Jagdausübung ausschließlich aus dem Jagdpachtvertrag ableitet, d.h. er hat gegenüber der Jagdgenossenschaft einen Anspruch darauf, dass ihm die Jagdmöglichkeit auf den gepachteten Grundstücksflächen von der Jagdgenossenschaft uneingeschränkt zur Verfügung gestellt wird.

Sollte dennoch gegenüber dem Jagdpächter  ein Unterlassungsbegehren oder gar ein Jagd- bzw. Betretungsverbot seitens eines Grundstückeigentümers, ausgesprochen werden, so sollte sich der Pächter sofort an die Jagdgenossenschaft zu wenden, mit dem Anspruch, dass ihm die Jagdausübung - wie vertraglich vereinbart-  störungsfrei auf sämtlichen Pachtflächen zur Verfügung gestellt und  möglich gemacht wird.

Im Einzelfall kann sich der Revierinhaber zusätzlich, d.h. sinnvollerweise gemeinsam mit der Jagdvorstand,  an die zuständige Untere Jagdbehörde wenden und dort einen Antrag der Jagdgenossenschaft auf sofortige behördliche Anordnung der Jagdausübung auf den entsprechenden Grundstücksflächen, unterstützen. Einen derartigen Jagdanordnungsantrag selbst müsste allerdings die Jagdgenossenschaft bei der Unteren Jagdbehörde stellen.

Für einen betroffenen Revierinhaber besteht zudem die Möglichkeit gegen den betreffenden Grundstückseigentümer, der die Jagd auf seinen Flächen untersagt, im Wege des § 1004 BGB wegen Behinderung bzw. Störung der Jagdausübung  auf Unterlassung zu klagen.

Im Streitfall entscheidet hierüber in der Regel das zuständige Amts- oder Landgericht, wobei der Ausgang eines derartigen Rechtsstreits nicht vorhersehbar ist und es durchaus möglich sein kann, dass ein Richter sich der Rechtsprechung des EGMR anschließt, und zunächst einem derartigen Jagdverbotsbegehren stattgibt.

Auch wenn das derzeit noch geltende Bundesjagdgesetz, einschließlich der Landesgesetze ein „Ruhen der Jagd“ wegen spezifischer oder behaupteter Gewissenkonflikte eines einzelnen Grundeigentümers, nicht vorsieht, besteht durchaus die Gefahr, dass ein Richterspruch sich dennoch der Rechtsmeinung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anschließt und einen Rechtsanspruch auf Ruhen der Jagd mit der Begründung des vorrangigen Eigentums- und Gewissensschutzes bejahen wird.
Dem betroffenen Jagdpächter bzw. Revierinhaber bleibt dann nur die Möglichkeit der Jagdpachtminderung gegenüber der Jagdgenossenschaft, wenn sich die Jagdpachtfläche  durch Wegfall von Flächen erheblich reduzieren sollte.
Dies gilt u.U. auch für ein Sinken des sog. Jagdwertes, d.h. wenn beispielsweise  wertvolle Bejagungsflächen wegfallen, auch dann kann eine Pachtzinsminderung in Betracht kommen.

Sollte es dem Jagdpächter,  durch den Wegfall von wichtigen Bejagungsflächen , gänzlich unzumutbar geworden sein, an dem Jagdpachtvertrag in der abgeschlossenen Form, fest zu halten, so kann als weitere Alternative,  u.U. auch eine Kündigung  des     des Jagdpachtvertrages in Betracht kommen. Vor Ausspruch einer Vertragskündigung, sollten allerdings die Möglichkeiten einer Vertragsanpassung u.a. ausgeschöpft worden sein.


Ein  Sonderkündigungsrecht kann insbesondere dann in Erwägung gezogen werden, wenn durch den Wegfall der Bejagungsmöglichkeit auf bestimmten Flächen innerhalb des gepachteten Gemeinschaftsjagdrevieres eine vertraglich vereinbarte Wildschadenshaftung zu einem nicht mehr abwägbaren, finanziellen Risiko wird. Die Beweislast, ob derartige Voraussetzungen für eine Sonderkündigung vorliegen, trägt der Jagdpächter.

Der EGMR hat sich im Übrigen in seiner Entscheidung nicht damit befasst, was mit einer Haftung für Wildschäden auf den nicht mehr zu bejagenden Flächen, aber auch auf den einer erhöhten Gefährdung ausgesetzten, angrenzenden Flächen, geschehen soll. Es ist bekannt, dass sich das Wild und im Besonderen das Schwarzwild gerne in die Ruheflächen zurück zieht, um dann auf den benachbarten Flächen u.U. zu Schaden zu gehen. Der Gerichtshof hat  in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass dem Entstehen  von Wildschäden nachhaltig nur durch das Instrument einer flächendeckenden Bejagung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen entgegen gewirkt werden kann.

Einem Grundeigentümer, der aus der Jagdgenossenschaft austreten will und seine Flächen einer Bejagung nicht mehr zugänglich machen will, sollte daher, seitens der betroffenen Jagdgenossenschaft, bereits jetzt eine mögliche Inanspruchnahme wegen Schadensersatzes (Pachtzinsausfall, Wildschadensregress) angedroht und in Aussicht gestellt werden.

Bei Schwarzwildschäden kann ein solcher Haftungsregress u.U. auch zu beträchtlichen Unsummen führen. Mit einer finanziellen Inanspruchnahme muss zukünftig ein Jagdgegner  zu rechnen haben.
Nach diesem Urteil  des EGMR ist jetzt der Bundesgesetzgeber beauftragt, eine Anpassung an diese Rechtsprechung zu gestalten; für den Jäger und Revierinhaber muss daher, solange dies nicht umgesetzt worden ist, die aktuelle vertragliche und  gesetzliche Situation fortgelten.

Unser geltendes und bewährtes Revier- und Jagdsystem kann nicht durch die Berufung auf behauptete Gewissenkonflikte eines einzelnen Grundeigentümers in Frage und Abrede gestellt werden.
Eine derartige Einstellung gegen die Jagd geht immer zu Lasten anderer  Grundeigentümer  innerhalb der „Solidargemeinschaft Jagdgenossenschaft“ aber auch zulasten betroffener angrenzender Eigenjagdinhaber.
Sie tragen die Ernteschäden und die Kosten der Beseitigung oder Wiederherstellung, während der Nachbar sich stolz auf sein Gewissen klopft.

Es wäre daher mehr als unbillig, wenn die Kosten und Lasten, die mit einer nicht mehr durchgeführten Jagd verbunden sein können, nicht von dem betreffenden Grundeigentümer sondern von der Jagdgenossenschaft oder dritten Personen getragen und bezahlt werden müssten. Auch dies muss bei einer Anpassung der Gesetzeslage ausreichend berücksichtigt werden.


24.08.2012
RA Barbara Frank, Vorsitzende BJV-Rechtsausschuss